Montag, 9. Februar 2009

Tag 58 bis 64, Woche 7

So schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte, war das Aufstehen am Montag Morgen gar nicht. Mir taten zwar immer noch sämtliche Knochen und Muskeln weh, aber das war kein Grund, nicht zu arbeiten. Den ganzen Tag im Bett liegend, würde ich mich wahrscheinlich zu Tode langweilen. Ich frühstückte ausgiebig. Ein weiteres Zeichen dafür, dass es mir wieder besser ging. Wenn der Hunger stimmt. Die Treppen hinunter zur Arbeit waren aber immer noch eine zeitaufwendige Sache. Humpeln würde ich wohl noch mindestens eine Woche. Schon auf dem Hof zwischen Batiment Sud und Batiment La Colline kam mir eine Krankenpflegerin entgegen und sah mich total entsetzt an, als sie so nah war, um mein Gesicht zu erkennen. Ich blieb nicht stehen, um ihr alles haarklein zu erzählen, sondern rief ihr im Gehen nur zu, dass ich einen Unfall gehabt hätte. So ging das den ganzen Morgen, an dem ich, wie üblich, in allen 4 Teilen das Datum änderte. Irgendwann lief ich dann auch Monsieur Fel, dem kleinen Hausmeister über den Weg. Und was soll ich sagen, der Arme war so mitgenommen, dass er kein Wort mehr heraus bekam. Man könnte meinen, ich hätte ihm den Schock seines Lebens beschert. Irgendwie tat er mir ja fast schon leid. Na ja, nicht wirklich, aber wenn ihr diesen kleinen, fast wie ein Kind hilflos dastehenden Kerl gesehen hättet, ihr hätte sicher auch grinsen müssen.

Im Grunde genommen bestand der Tag, wie die gesamte Woche, eigentlich nur darin, meine Geschichte zu wiederholen. Bei 150 Bewohnern und fast so vielen Mitarbeitern dauert es eben seine Zeit, bis jeder Bescheid weiß. Besonders „lustig“ war das, wie könnte man es sich auch anders vorstellen, im Alzheimer-Teil. Tja, da habe ich zuerst auch nicht dran gedacht, dass es irgendwie anders laufen könnte, als bei den anderen Bewohnern. Aber schon im Aufzug, auf dem Weg in den Alzheimer-Teil, dämmerte es mir. Scheiße, was machst du eigentlich, wenn die dauernd vergessen, dass du ihnen gerade von deinem Unfall erzählt hast? Aber bevor ich mir darüber weitere Gedanken machen konnte, wurde ich schon von Julie in Empfang genommen. Sie hätte schon Samstag Abend davon gehört und nachts kaum geschlafen, weil sie nicht wusste, wie schlimm es war. Wie süß. Ich war richtig gerührt, dass sie sich echt Sorgen gemacht hatte. Und scheinbar war es schon zu einigen Mitarbeitern durchgesickert. Julie drückte mich einmal ganz lieb und war sichtlich erleichtert, als ich ihr sagte, dass ich nur 2 Stunden im Krankenhaus gewesen und außer den oberflächlichen Wunden mit einem blauen Auge davon gekommen war. Mach so was nie wieder, sagte sie schmollend. Ich versprach es

Und dann kam das, was ich befürchtet hatte. Die Alzheimer-Patienten konnten sich keine 2 Minuten merken, was ich ihnen erzählte. Das lief in etwa so ab:

- Simon kommt in den Raum und begrüßt alle
- Bewohnerin: Guten Tag junger Ma... Oh was haben sie denn da gemacht?
- Simon (lächelnd): Hallo Madame L. Ich hatte einen Fahrrad-Unfall.
- Bewohnerin: Uh lala, das ist gefährlich mit den Rädern hier.
- Simon dreht den Kopf weg, um Bewohnerin am Nachbartisch zu begrüßen
- Simon dreht den Kopf mit der betroffenen Gesichtshälfte wieder zurück
- Bewohnerin: Ach du Sch... was ist denn mit Ihnen passiert?
- Simon (noch geduldig lächeln): Bin mit meinem Rad gestürzt.
- Bewohnerin: Oh je, das ist böse.
- Simon geht aus dem Raum oder zum Waschbecken, um sich etwas zu Trinken einzugießen
- Simon kommt wieder oder dreht sich mit der einen Gesichtshälfte wieder den Bewohnern zu
- Bewohnerin: Oh, was ist ihnen denn zugefahren?
- Simon (mit regungsloser Mine): Fahrrad-Unfall...
- Bewohnerin: Jaja, damit muss man hier höllisch aufpassen.
- Simon: Was sie nicht sagen...


So ging das eine halbe Stunde und ich war noch nie so froh, dass ich Montag morgens immer das atelier informatique habe. Bei so was dreht man auf Dauer doch durch... Und es war erschreckend, dass ich mich nur wegdrehen musste, und alles im Gedächtnis der Bewohner gelöscht zu sein schien. Sie stellten zwar keine Fragen mehr, wer ich wäre, da ich ihnen im Unterbewusstsein inzwischen bekannt war, aber jede äußere Änderung oder Auffälligkeit überforderte ihr Kurzzeitgedächtnis und zwang sie, Fragen zu stellen. Wieder und wieder. Bis die Information im Unterbewusstsein angekommen war. Das ist das typische Muster von Alzheimer.

Nach dem Ende der Arbeit fragte ich mich, was eigentlich anstrengender gewesen war. Die eigentliche Arbeit, oder das sich Anglotzen lassen, weil man aussieht wie der letzte Hänger. War mir dann aber auch egal. Das Schlimmste hatte ich hinter mir. Eigentlich müssten es inzwischen fast alle wissen. Ich mochte es nicht, so im Rampenlicht zu stehen. Der Deutsche, der immer seinen besonderen Auftritt braucht. Das wurde nicht über mich erzählt. Vielmehr war es meine eigene Wahrnehmung. Ich vermute, dass diese aus meiner Unzufriedenheit darüber resultierte, mich fast selber ins Grab befördert zu haben.

Diese unvorsichtige Draufgängeraura, die da so um mich rum zu wehen schien, passte überhaupt nicht zu mir. Sich kopflos auf zwei Rädern die Berge runterstürzen wird mir dafür aber kein zweites Mal passieren. Trotz allen Bemühungen meinerseits, den Unfall runterzuspielen, war er noch die ganze Woche Gesprächsthema Nummer Eins in der Colline. Die Entwicklung meiner Wunden schien jeden brennend zu interessieren. Dann kamen Sätze wie: Och, das sieht doch schon viel besser aus. Ja, danke. Sehe ich selber, hab nen Spiegel im Bad hängen. Tatsächlich schienen die Wunden erstaunlich schnell zu verheilen. Bereits am Ende der Woche lösten sich sie ersten Krusten und man konnte die neue gebildete Haut sehen. Nur die Wunden an den Händen hielten sich hartnäckig. Sie schienen tiefer zu sein, als die Schürfwunden im Gesicht.

Auf meinem Zimmer, endlich meine Ruhe findend, machte ich an diesem Montag noch mal einige Bilder von mir, jetzt das erste Mal ohne Verbände und Pflaster. Und als ich sie mir auf dem Laptop anschaute, sah ich da einen Sträfling, vermutlich Waffendealer an der Mexikanischen Grenze, der in Guantanamo noch mal schnell ein Andenken-Bild bekommt. So düster habe ich mich auf jeden Fall noch nie gesehen. Der passende Blick dazu ist aber auch wirklich gut gelungen...

Um mal wieder von etwas Anderem zu reden, erzähl ich einfach mal vom Wetter. Das wurde, zum Ende der Woche hin, immer schlechter. Der Herbst begann sich richtig auszutoben. Mit viel Regen, teilweise sinnflutartig, gepaart mit heftigem Wind. Ich hatte, außer zum Arbeiten, seit Dienstag das Haus nicht mehr verlassen und so langsam die Schnauze gestrichen voll. Am dollsten war es am Donnerstag. So viel Regen über einen so langen Zeitraum hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Es war tagsüber so dunkel, dass es schon fast einer Sonnenfinsternis glich.

Das Meer zu sehen, konnte man sowieso knicken, aber dass die Welt nun genau über Nizza untergehen musste, war doch etwas nervig. Ich habe das natürlich festgehalten. Der Palme auf dem ersten Bild sieht man doch förmlich an, wie sie mit den Wassermassen zu kämpfen hat, oder? Entstanden sind die Bilder übrigens nicht mitten in der Nacht, wie es vielleicht den Anschein hat, sondern am (normaler Weise) helllichten Tag. Und wenn man vor lauter Regen nicht aus seiner Bude raus kann und alle Filme schon rückwärts mitdudeln kann, muss man sich irgendwas gegen die Langeweile suchen. Ich bekam vor lauter Regen aber erst mal nur Heimweh. Bestimmt ist das Wetter in Berlin nicht so schlecht und meine Freunde sitzen in Berlin in einem Park und genießen die letzten Sonnenstrahlen des Tages...

Kennt ihr den Film "Weil es dich gibt"? In diesem Film macht Jonathan, kurz vor Weihnachten, beim Geschenke Einkaufen die Bekanntschaft von Sara. Beide greifen nach dem selben Handschuhpaar, das sie ihren Partnern schenken wollen. Noch während sie überlegen, wer die Handschuhe letztendlich mit nach Hause nehmen darf, greift sie sich ein älterer Herr. Gemeinsam tischen sie ihm eine so unglaubwürdige Geschichte auf, dass der Mann sie ihnen zurückgibt. Die spontane Zusammenarbeit veranlasst die beiden, in ein Cafe zu gehen. Sie verstehen sich sofort super und man spürt deutlich, wie es knistert. Jetzt sind aber beide in festen Händen und, anständig, wie sie nun mal sind, lässt Sara den armen Jonathan nach dem Kaffee mit nicht mehr als einem kleinen Kuss auf der Wange im kalten Manhattan stehen. Sie hat ihm weder ihren Namen, noch ihre Nummer gegeben. Sie glaubt an das Schicksal. Wenn es bestimmt sei, würden sie sich wieder sehen, auch ohne die Nummer. Jonathan bleibt ganz betröppelt und niedergeschlagen zurück, und erst auf dem Weg zur Metro bemerkt er, dass er seinen Schal im Cafe vergessen hat. Noch bevor er den Tisch erreicht, an dem sie gesessen hatten, sieht er dort Sara stehen. Sie hatte ihre Tüte mit den Handschuhen vergessen. Jetzt muss sie an das Schicksal glauben und ihm ihre Nummer geben. Aber ein Windstoß auf der Straße weht den Zettel weg, noch bevor Jonathan ihn zu fassen bekommt.

Sie deutet es als Zeichen des Schicksals, dass es besser wäre, an dieser Stelle aufzuhören. Es soll wohl nicht sein. Aber da auch sie zwischen den Zeichen des Schicksals und dem wunderschönen Abend mit Jonathan schwankt, bittet sie ihn, auf einen 5-Dollar-Schein seinen Namen und seine Nummer zu schreiben. Damit kauft sie eine Kleinigkeit und sollte ihr jemals wieder dieser Geldschein als Wechselgeld in die Hände fallen, müsse er wohl spätestens dann ans Schicksal glauben, wenn er ihre Stimme am Telefon hört. Aber er versteht die Welt nicht mehr. Er glaubt nicht so recht an diesen übersinnlichen Schnickschnack, und kann nicht begreifen, warum er jemanden nach einem so tollen Abend einfach gehen lassen soll. Sie solle doch ebenfalls etwas von sich auf den Weg schicken, damit auch er die Chance habe, durch das Schicksal, an das er nicht glaubt, über ihren Namen und ihre Nummer zu stolpern. Das leuchtet ihr ein und kurzerhand schnappt sie sich ein Buch, das sie dabei hat und schreibt auf die erste Seite ihre Daten. Am nächsten Tag, so erklärt sie ihm, werde sie damit zu einem Antiquariat gehen und es verkaufen. Natürlich sagt sie ihm nicht, welches das sein wird. Er soll ab jetzt immer, wenn er an einem vorbei kommt, schauen, ob das Buch da ist.

Jahre später sind beide kurz davor, ihre jeweiligen Partner zu heiraten. Das Schicksal hat ihnen nicht, wie erhofft, den Geldschein oder das Buch zukommen lassen. Sie sind aber auch so glücklich und kurz vor dem Ziel; gemeinsam mit dem Menschen, den sie am meisten lieben. Aber mit einem Mal häufen sich Zeichen und damit die Zweifel. Zeichen, die sie an den Abend in New York erinnern, an dem zwei Menschen die selben Handschuhe kaufen wollten und sich so kennenlernten. 3 Tage vor seiner Hochzeit fängt es bei Jonathan an, dass er andauernd über den Namen Sara stolpert. Die Vertretung seiner Frisöse heißt Sara und als er mit dem Taxi, ohne neue Frisur, flüchtet, steht im Stau neben ihm ein Radfahrer, der laut, viel zu laut, ein Lied mit dem Titel Sara singt. Verzweifelt fragt er seinen besten Kumpel um Rat, der allerdings sein Trauzeuge sein würde und daher relativ wenig Verständnis für diese kopflose Aktion aufbringt. Aber die Pflicht eines besten Kumpels ist es natürlich, zu helfen. Gemeinsam durchstöbern sie Antiquariat um Antiquariat, immer auf der Suche nach dem Buch mit Sara’s Nummer. Nur finden können sie es nicht. Als Jonathan am Abend nach Hause kommt, ist seine Verlobte schon dabei, für die Flitterwochen zu packen, wofür sie die ganzen Schrankinhalte auf dem Bett verteilt hat. Und dort findet Jonathan die Tüte mit dem einen Handschuh, den ihm Sara als Andenken zugeworfen hatte.

Warum ich das alles erzähle? Weil ich irgendwie in einer ähnlichen Lage bin. Nur etwas anders. In den Momenten, in denen ich mich einsam fühle, oder voll Heimweh, habe ich das Gefühl, dauernd auf Sachen zu stoßen, die mich an meine Heimat erinnern. Ob das jetzt Deutschland oder Berlin ist, ganz egal. Oder ich stoße auf Sachen, die eine Verbindung zwischen meiner Herkunft und meinem Auslandsdienst herzustellen scheinen. Es ist mir unheimlich. Und dieser Film hat mir ein Deja-vu nach dem anderen besorgt. Es begann damit, dass ich wegen des Regens aus Langweile in meinem Zimmer angefangen hatte, Verpackungen durchzulesen. Meine Mutter hatte mir zwei Zahnbürsten gekauft, von denen die eine noch nicht geöffnet war. Also habe ich mir die Zahnbürste geschnappt und die Verpackung gelesen. Sie war, da in Deutschland gekauft und verkauft, logischer Weise auf Deutsch. Und auf Französisch! Aber kein Englisch. Das klingt jetzt albern, aber habt ihr euch jemals gefragt, mit welchen Sprachen die Verpackung einer Zahnbürste beschriftet ist? Wahrscheinlich nicht, aber es war für mich in diesem Moment so offensichtlich, dass da eine Verbindung besteht, und mir das nur auffallen konnte, weil ich in Nizza saß, aber lieber in Berlin wäre. Wäre es auf Deutsch und Englisch gewesen, hätte es mich nicht gewundert, aber warum fällt mir in Frankreich gerade dann eine in Deutschland gekaufte Zahnbürstenverpackung auf Französisch in die Hände, wenn ich Heimweh habe?

Mal kurz was Anderes. Wir machen jetzt ein kleines Spiel. Stellt euch Folgendes vor: Ihr seid weit weg von eurer Heimat. Ihr arbeitet noch nicht sehr lange im Ausland, und ab und zu packt euch das Heimweh, die Sehnsucht nach eurem Zuhause. Es sind Kleinigkeiten, die euch fehlen, aber genau aus diesen Kleinigkeiten setzte sich euer Leben zusammen. Und wenn ihr an diese Kleinigkeiten denkt, geht in eurem Herzen eine kleine Sonne auf. Und trotzdem habt ihr manchmal Angst, dass sich zu viel verändert haben könnte, wenn ihr wieder nach Hause zurückkommt. Ihr schwankt zwischen Freude, Dinge wahrzunehmen, die euch vorher nicht aufgefallen waren, neuen Erfahrungen, an denen ihr euch messen könnt, und auf der anderen Seite dem Gedanken an das alte Leben, dessen Kleinigkeiten ihr so geschätzt und mit denen ihr so gut gelebt hattet. Wie viele von ihnen werden ihr wiederfinden? Wie viele neue Kleinigkeiten werdet ihr entdecken, die eurem Leben ganz neue Facetten geben könnten.

Ihr seid auf jeden Fall sehr gespannt. Aber ihr seht die Zeit, die ihr euch noch gedulden müsst, bis es soweit ist. Und im Augenblick wünscht ihr einfach nur, es wäre schon September und ihr könntet zurückkehren. Nicht, weil es an dem Ort, an dem ihr zur Zeit seid, nicht schön ist. Zu Hause ist es einfach viel schöner. Und dementsprechend oft denkt ihr an diesen Ort, was es nicht unbedingt leichter macht. Aber so richtig schwer machen es euch erst die Momente, an denen ihr anfangt, wegen gewisser Sachen, die ihr als Zeichen deutet, an übersinnliche Dinge und das Schicksal zu glauben. Meist nur für wenige Augenblicke, aber diese haben es in sich. Und dann stellt euch vor, ihr wärt ich. Wie also würdet ihr euch fühlen, wenn euch folgendes passieren würde, nachdem euch schon eine Zahnbürstenverpackung vor den Kopf zu stoßen scheint, dass ihr glaubt, im falschen Film zu sein:

Ich legte die Zahnbürste weg und nahm mir ein Glas Billig-Nutella zur Hand. Schmeckt fast so gut wie das Original, kostet aber weniger als die Hälfte. Irgendwann beim Studieren des Etiketts war ich dann beim Herstellungsort angekommen. Langsam schweiften meine Augen über das, was da stand, jeden Buchstaben einzeln und langsam lesend.

Elaboré et conditionné en Allemagne par Wilhelm Reuss GmbH & Co.KG

Und dahinter stand in Klammern: (12057 Berlin). Ähhhhhhh, wie bitte? Meine Augen gingen jetzt sehr schnell auf und zu. Was steht da? Steht da, dass das Zeug in 12057 Berlin hergestellt wird? Schnell noch mal gelesen. Ja, eindeutig. Entschuldigung, aber WOLLT IHR MICH HIER GERADE VERARSCHEN??? Das mit der Zahnbürste, okay. Kann passieren. Aber das? Jetzt bin ich aber entgültig im falschen Film. Ich habe Heimweh und was kommt mir in die Hände? Nen Haselnuss-Schoko-Nutella-was-auch-immer-Ersatz, der in Berlin hergestellt wird... Ich dachte immer, so ne Scheiße kommt aus Ost-Europa. Rumänien oder so. Nein, da steht Berlin. HALLOOOO, gehts noch? Ich fasse es nicht. Ich wusste gar nicht, dass in Berlin so was hergestellt wird. Von wegen da gibt es keine Wirtschaft. Die kopieren Nutella und verschleudern das beim französischen Lidl-Abklatsch. Super.

Und? Wie wäre das für euch? Übertreibe ich eurer Meinung nach? Als kleine Aufgabe bitte ich euch, mir unter diesen Beitrag als Kommentar zu schreiben, wie ihr diese zwei Vorkommnisse deuten würdet. Und ob ihr so reagiert habt, wie ich es versucht habe, zu beschreiben. Vielleicht würde euch das ja völlig kalt lassen. Ich bin auf eure Antworten gespannt.

Am Freitag war der Himmel so blau, als wäre nichts gewesen und es hätte nie anders ausgesehen. Auch das ist die Côte d’Azur. Extreme Wetterum- schwünge im Herbst. Einer konnte leider nicht davon profitieren, dass das schlechte Wetter vorerst vorbei war. Monsieur L, einem der beiden Herren im Batiment Sud, schien es plötzlich deutlich schlechter zu gehen. Er konnte mit einem Mal nicht mehr selber laufen und schien noch geistesabwesender als sonst. Er musste sogar gefüttert werden. Bisher konnte er immer alleine essen. Es tat weh, ihn so zu sehen. Alzheimer ist eine Krankheit mit sehr schwankenden Symptomen, die, bildlich vorgestellt, wahrscheinlich wie eine Sinuskurve aussehen würde. Aber nicht bei allen Betroffenen fallen diese Schwankungen ihres Zustandes signifikant auf. Das, was wir hier bei Monsieur L sahen, war hoffentlich nur eine ganz besonders heftige Schwankung. Und nicht mehr.

Nach der Arbeit nutzte ich das seltene gute Wetter, um mal wieder in die Stadt zu fahren. Und als ich bei McDonalds meine Mails checkte, war dort eine Mail von Idan und Nicola. Es war wegen des Seminars im Dezember. Da man eine Gruppe französischer Freiwilliger gefunden hätte, die bereit waren, das Seminar gemeinsam mit uns zu durchzuführen, würde das Seminar schon am 16. Dezember, und damit einen Tag früher als geplant, beginnen. Wir sollten im Rahmen unserer Möglichkeiten eine Umbuchung unserer Züge vornehmen. ASF würde alles bezahlen. Ich war scheinbar der Einzige, der mit dem Flugzeug anreisen würde. Ich mailte die neuen Daten meinem Vater, damit dieser mir sagen konnte, wie teuer eine Umbuchung auf den selben Flug am Vortag sein würde. Solange ich es nicht bezahlen musste, hätte ich ja nichts dagegen, einen Tag früher nach Paris zu fliegen. Dort hält man es gut aus.

Es war schön, nach fast einer Woche mal wieder mit Freunden zu schreiben. Und ich amüsierte mich über die Blicke, die mir wegen meines Aussehens bei McDonalds zugeworfen wurden. Schmerzen hatte ich keine mehr, humpeln tat ich fast nicht mehr, und so konnte ich mich darauf konzentrieren, anderen dabei zuzusehen, wie sie bei meinem Anblick fast mehr Schmerzen hatten, als ich.

Und am Samstag passierte das, was keiner gedacht hätte. Ich am wenigsten. Ich bin genau eine Woche nach meinem Unfall wieder auf mein Rad gestiegen. Das Wetter war wieder super. Ich bin, verständlicher Weise, sehr langsam gefahren. Ich hab mich total beschissen gefühlt. Und als ich an der Unfallstelle vorbeikam, haben meine Arme und Hände total gezittert. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich eine kleine Panikattacke. Mir kamen wieder die Bilder vor Augen, wie ich gestürzt war. Und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Angst, auf einem Fahrrad zu sitzen. Ein ekliges Gefühl. Es fühlte sich an, als hätte das Rad die Kontrolle über mich und nicht umgekehrt. Und dann kam ich zum ersten Mal mit dem Rad in der Innenstadt an. Ein komisches Gefühl. Hatte ich mir logischer Weise anders vorgestellt. Aber wie sagt man so schön auf Französisch? C’est la vie.

Ich fuhr etwas die Promenade des Anglais entlang und jetzt, wo es flach war, hatte ich keine Angst mehr. Es war sogar richtig toll, unter Palmen am türkisblauen Meer entlang zu fahren. Und es war schön warm. Für Anfang November nicht schlecht. Aber als ich wieder hochfuhr, war es bereits dunkel und deutlich kälter. Und ich musste ein weiteres Mal schieben. Das ist aber auch wirkliche eine sehr unangenehme Strecke. Ich müsste auf jeden Fall ganz schön zulegen, um diese Strecke in absehbarer Zeit ohne Pause fahren konnte. Wünscht mir Glück...

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