Die Berge sind weiß
Die neue Woche brachte nicht viel Neues. Ich zähle die Wochen und Tage bis Paris. Ich kann es kaum erwarten, nach Berlin zurückzukehren nach so langer Zeit. Mir geht so viel im Kopf herum, wenn ich an den Moment denke, wenn ich in Schönefeld das Flugzeug verlassen werde. Wie wird es sich anfühlen? Ich bin schon sehr gespannt. Das ist neu für mich, dieses Heimkehren. Aber zuerst ist da der Arbeitsalltag und der ist mehr oder weniger der Selbe wie immer. Das Gegenteil stellt dafür das Wetter dar. Nie langweilig und nie gleich. Fast zeitgleich kamen Sylvie und Cathy zu mir, ob ich denn schon gesehen hätte, dass die Berge komplett weiß seien, die sich in einiger Entfernung hinter der Colline auftun. Am Abend zuvor war davon noch nichts zu sehen gewesen. Über Nacht hatte es dort scheinbar dermaßen heftig angefangen zu schneien, dass schon Mitte November auf den Gipfeln alles weiß war.
Im Laufe dieses Arbeitstages kam ich mit Bewohnern im Schlepptau mehrere Male an den Stellen der Colline vorbei, von denen aus man einen tollen Blick auf die Berge hat. Fast jedes Mal blieben die Bewohner stehen, um es sich kurz anzuschauen. So was sieht man hier schließlich nicht sehr oft. Es kam mir jedes Mal wie ein umgedrehtes Pompeji vor, in dem die Leute ehrfürchtig zum Vesuv hochschauen, der Gesprächsthema Nummer eins ist, weil er seit kurzem keine schneebedeckte Spitze mehr hat. Bei hohen Vulkanen ist das kein gutes Zeichen, denn es zeugt von Aktivitäten im Inneren, die den Schnee auf der Spitze schmelzen lassen. Dann ist immer Vorsicht angesagt. Der Vesuv ist kein erloschener Vulkan, aber seine Spitze war das letzte Mal schneefrei, als sein Ausbruch das kleine Städtchen Pompeji vernichtete.
Vulkane gibt es hier keine, aber trotzdem schaut man zu den hohen Bergen auf, die in seltener Pracht in den Himmel ragen. Ich würde gerne wenigstens einmal Skifahren gehen. Die Saison fängt meistens Anfang Januar an, wenn genug Schnee liegt. Aber dieses Jahr scheint das ja deutlich früher los zu gehen. Mal schauen, ob ich das hinkriege. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt noch Ski fahren kann. War ja erst ein Mal und das ist 6 oder 7 Jahre her. In Süd-Tirol, als Klassenreise. War sehr toll, auch wenn ich drei Tage gebraucht habe, bis die Skier das machte, was ich wollte. Bis dahin war es immer umgekehrt gewesen. Selbst auf einer ebenen Fläche habe ich es hinbekommen, dass sich die Dinger in Bewegung setzten, ohne dass ich mich bewegte. Meistens rutschte ich rückwärts. Und da ich das mit dem Bremsen noch nicht so drauf hatte... Plums eben. Am dritten Tag waren wir schon etwas weiter und auch nicht mehr auf den Babypisten. Und als ich dran war, langsam und immer in Kurven einen kleinen Hügel runter zu fahren, bin ich zu schnell geworden und hatte keine andere Wahl mehr, als am Ende der Piste vor einem kleinen Abgrund vor den erstaunten Augen der anderen elegant abzubremsen und zum stehen zu kommen. So ganz ohne Plums. Coole Sache. Ab da fand ich das Skifahren extrem toll. Wär also mal ein Versuch wert, zu sehen, ob ich es noch kann. Wenn es so ist, wie Fahrradfahren, hab ich kein Problem. Denn das verlernt man ja nie. Sagt man zumindest.
Der nächste Ausflug
Am Donnerstag war es wieder soweit. Diesmal sollte es nach Antibes gehen. Also in genau die andere Richtung, wie die Woche zuvor. Ich fand das Spitze, denn so lernte ich während der Arbeitszeit ein bisschen besser die Gegend kennen. Die berühmte Klappe, die gleich zwei Fliegen schlägt. Madame Roche hatte Guy eine Liste mit Namen der Bewohner genannt, die diese Woche mit sollten. Kurz vor der Mittagspause erschien er dann aber im Centre, wo ich gerade mit Cathy eine Animation am Laufen hatte und sagte mir, dass sich alles geändert habe. Da es ja wieder um 13:30 Uhr los gehen sollte, suchte ich ihn gleich nach der Pause auf, um zu besprechen, wen wir alternativ mitnehmen könnten. Die Liste war schnell erstellt und ich machte mich auf die Suche nach den Bewohnern, um sie zu fragen, ob sie denn überhaupt mitfahren wollten. Bis auf Monsieur I wollten alle der Befragten und nachdem den Schwestern mitgeteilt worden war, wer die Colline für wenige Stunden verlassen würde, konnte es losgehen. Monsieur I ist einer der Künstler der Colline. Über 90 Jahre alt, aber kein Bisschen senil. Ein sehr kluger Mensch, der mir jedes Mal was von seinen Lebensweisheiten mit auf den Weg gibt, aber viel über die Gesellschaft meckert. Gerade bei der Revue de Presse läuft er zu Hochform auf. An sich finde ich das ja nicht schlecht, wenn das mal einer tut, aber irgendwann wünscht man sich dann doch, er würde ab und zu die CD wechseln. Aber er malt ganz fantastische Bilder, die überall in der Colline aushängen. Normaler Weise ist er jemand, der gerne mit auf Ausflüge geht. Diesmal halt nicht.
Das Wetter war absolut spitze, der Himmel war strahlend blau, keine einzige Wolke war zu sehen und in der Sonne war es sehr warm. Fast zu warm für meinen neuen, weißen Wollpulli. Den hatte ich mir bei C&A gekauft. Zusammen mit einer coolen Jeans. Man gönnt sich ja sonst nichts. Und das Beste daran: Wenn man zur Kasse geht und die Bügel vorher nicht abgenommen hat, packen die Verkäuferinnen die mit ein. Absicht oder Dusseligkeit? Egal, ich hatte bei mir in meinem kleinen Schrank nur zwei lächerliche Bügel. Ich wunderte mich zwar, hielt aber brav die Klappe. Neuen Pulli und als Bonus nen Kleiderbügel eingesackt. So geht man erfolgreich einkaufen. Im Schatten war es an diesem Donnerstag allerdings unangenehm kalt, daher war es vielleicht doch die bessere Wahl gewesen, den Pulli anzulassen. Zusätzlich nahm ich meine Jeansjacke mit und so ging es los.

Wir folgten immer der Küste und irgendwann hinter dem Flughafen und dem Flüsschen erreichten wir das nächste kleine Städtchen. Cagnes sur Mer. Wunderschön, bereits im Vorbeifahren. Die Uferpromenade ist ähnlich wie die in Nizza angelegt, nur irgendwie schöner. Sie war weniger überlaufen und wirkte in dem Moment auch idyllischer. Nicht so international, nicht so groß. Eher ruhig, verträumt und bodenständig. Kann eine Promenade bodenständig sein? Manchmal fallen einem ja bekloppte Wörter ein und man weiß überhaupt nicht, ob sie gerade passen... Der Strand wirkte ebenfalls natürlicher. Nicht künstlich angelegt, für die Touristen. Die Steine sind aber auch hier sehr groß. Aber was ich sah, gefiel mir sehr. Rechter Hand kamen wir wenige Meter hinter dem Stadtkern an der riesigen Pferderennbahn vorbei. Hippodrome de la Côte d’Azur, so heißt es. Wahrscheinlich lassen hier im Sommer die Scheichs ihre Pferde gegeneinander antreten. Um was wetten wir heute? Um deinen kleinen Privatflieger? Um dein Haus? Ganz egal welches. Unglaublich, was sich einem für ein Protz bietet, wenn man Nizza einmal verlässt.
Die Straße verläuft übrigens immer ganz flach, direkt am Meer entlang, im Gegensatz zum Osten von Nizza, in dem wir die letzte Woche waren und wo die Straßen schon mal kleine Höhenunterschiede aufweisen. Und noch besser ist der fast durchgängige Radweg. Zweispurig. Bis zum Flughafen hatte ich den ja schon ausprobiert, aber dass er noch so viel weiter geht, hätte ich nicht gedacht. Dementsprechend viele Skater und Radfahrer waren unterwegs, um das tolle Novemberwetter zu genießen. Was für ein Widerspruch. Die Côte d’Azur macht es möglich. Und ich war mittendrin. In dem Moment fühlte ich mich irgendwie verdammt wohl. Wenn ich zurückdenke, hätte ich wohl nicht erwartet, dass es mir so gefallen würde. Na ja, nicht alles. Vor uns tat sich etwas auf. Noch in weiter Ferne sah man die Konturen eines riesigen Gebäudes auftauchen. Guy sagte, es wäre eins. Hätte er das nicht, ich hätte es für einen kleinen Berg gehalten. Meine Augen sind ja eh nicht mehr die besten. Jaja, das verdammte Alter. Je näher wir meinem Berg kamen, desto deutlicher erkannte ich dann aber doch, dass es das vielleicht hässlichste Gebäude war, das ich hier bisher gesehen hatte. Und das größte. Das Ganze ähnelte mehr einem ganzen Stadtteil. Mit eigenem Hafen. Dessen Einfahrt führt mitten durch das Haus hindurch. Wie ein großes Tor. Es ist ein sehr langes und auch recht hohes Haus. Guy erzählte mir, dass es eine Marina mit angeschlossenen Wohnungen sei. Alles Luxus pur. Hm, wer wird da wohl drin wohnen? Na ja, zu den Pferden ist es ja nicht weit.

Von Antibes hatte ich zum ersten Mal gehört, als ich mir bei studiVZ ein Fotoalbum von Sarah anschaute, die dort in den Sommerferien einmal Urlaub gemacht hatte. Sie ist in meinem Ruderverein und ne gute Freundin von Dario. Sie war zumindest noch in dem Verein, als ich weggegangen bin. Wie auch immer, ich wusste damals nicht, in welchem Land sich Antibes befindet. Und jetzt fuhren wir gerade am Ortseingangsschild vorbei. Gleich dahinter beginnt der Hafen. Inzwischen weiß ich, dass Antibes fast so groß wie Potsdam ist, und es die Schönen und Reichen ungefähr so anzieht, wie die Fliegen das Licht. Dementsprechend auch der Hafen. Warum kommt es mir nur so vor, als müsse man sich einfach die Häfen der Städte an der Côte d’Azur ansehen, um zu wissen, was sich dort für ein Klientel rum treibt. Oder anders ausgedrückt: Sind die Häfen von Monaco und Nizza voll... Antibes hat immer eine offene Hafeneinfahrt sozusagen. Aber man kann es den Reichen nicht mal übel nehmen, hierher zu kommen. Ist eine wunderschöne Stadt. Schon gleich am Anfang begrüßen einen begrünte Mittelstreifen und tolle Springbrunnen, während sich die Sonne am blauen Himmel in deren Wasser spiegelt und die Palmen das Ganze abrunden. Es machte einen extrem gepflegten Eindruck. Dazu muss man sagen, dass Nizza zwar die unbestrittene Hauptstadt der Côte d’Azur ist, sich aber nie zu schade ist, auch mal wie eine normal bürgerliche Stadt zu wirken. Das macht sie vielleicht erst so anziehend.




Mit einem wundervollen Sonnenuntergang war auch diese Woche vorbei und Weihnachten und damit Paris und Berlin rückten mit erstaunlich großen Schritten näher. Mit Cathy rede ich oft darüber und dann sagt sie immer, dass es ja nur noch knappe 4 Wochen seien. Aber nach so schönen Erlebnissen, wie dem Ausflug am Donnerstag, weiß ich gar nicht, ob ich nach Weihnachten traurig sein soll, Berlin wieder verlassen zu müssen, oder ob ich mich freuen soll, wieder an meine wunderschöne Côte d’Azur zurückzukehren. Erst mal muss ich es schaffen, in den wenigen Tagen in Berlin alles unter einen Hut zu kriegen. Mama hatte mich nämlich angerufen und erzählt, dass meine Mannheimer Tanten Gisela und Helga über Neujahr kommen wollen. Vielleicht zu früh, darüber nachzudenken.

2 Kommentare:
doch, doch, mein lieber,
ich lese, und zwar mit interesse und vergnügen!
herzliche grüße von luffe
Hallo Simon
Ich melde mich auch mal kurz als Noch-Mitleser. :-)
Stimmt, so ab und an ein Feedback, - damit schreibt es sich sicherlich gleich wieder besser. Ich stelle mir vor, es ist recht unbefriedigend, so ausführlich zu schreiben und dafür keine oder nur wenig Resonanz zu erhalten. Da muss ich mich natürlich auch an meine eigene Nase fassen, aber ich versuche, mich zu bessern. *grosses Indianerehrenwort*
Im Übrigen liest sich dein Blog mit der neuen Gliederung in meinen Augen gut...
Leider sind der eigenen Kreativität beim Bloggen ja durch die Software Grenzen auferlegt, mit denen du dich aber meiner Meinung nach sehr gut arrangiert hast.
Ich denke, du wirst dich sicher auf die nächsten Tage ganz besonders freuen und wünsche dir/Euch viel Spass und vielleicht auch wieder einige neue Eindrücke und Entdeckungen.
Liebe Grüße und einen Knuddler von Britta
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