Nun saßen wir also mit den Holländern zusammen im Bus, die allerdings eine Regio früher nahmen, da ihr IC nach Amsterdam Berlin Ostbahnhof schon etwas früher verließ als unser ICE Richtung Basel. Wir durften also in Fürstenwalde am Bahnhof noch über eine Stunde warten. Es wurde Kaffee getrunken, Zeitung gelesen oder einfach auf Gepäckstücken liegend mitten auf dem Bahnhofsvorplatz ein Nickerchen gehalten. Viel geschlafen, aber einiges getrunken hatten wir schließlich fast alle.

Dann kam Papa. Scheiße, er hatte ne Tasche in der Hand, ich hatte ihn ja gebeteten, mir noch Socken und so mitzubringen... Jetzt wurde es kritisch. Es wurde gedrückt, gestopft, gezupft, umsortiert und am Ende mit vereinten Kräften versucht, den Koffer zuzukriegen. Und was soll ich sagen, wir haben es geschafft, mitten auf Gleis 7 des Berliner Ostbahnhofes. Papa hatte mir außerdem noch ein Headset mitgebracht, für skype. Sehr gut, darum hatte ich ihn gar nicht gebeten, er war also von ganz alleine darauf gekommen. Ich musste grinsen. Dann fuhr auch schon der ICE ein und wir hievten unsere Tonnen an Gepäck in den Zug. Wir hatten fast ein ganzes Abteil für uns und trotzdem reichte der Platz in den Ablagefächern und zwischen den Sitzen nicht aus, um alle Gepäckstücke unterzubringen. Mein Koffer, der so oder so nicht in die Ablagefächer passte, wurde also mit zwei anderen in bester Gesellschaft im Gang vor der Tür platziert. Ich stieg noch mal aus um Lebewohl zu sagen. Jetzt also entgültig. Ich merkte meiner Mutter an, dass sie mit den Tränen kämpfte. Mein Vater ist da zu idealistisch zu. Er denkt, dass es das beste ist, was mir passieren kann, also kein Grund traurig zu sein. Aber trotzdem weiß ich, dass er mich vermissen wird. Ich ihn natürlich auch.
Wie ich da so in der Tür stand sagte keiner ein Wort. Ich wusste auch gar nicht, was ich hätte sagen können außer „Ich werde euch vermissen ihr Idioten.“ Wenige Minuten vorher hatte meine Mutter noch gesagt, dass sie und mein Vater es nun endlich geschafft hätten, mich zu vertreiben. Sie klang dabei sehr traurig. Und teilweise stimmt es auch irgendwie. Ich musste mal raus, weg von dem ganzen Stress, weg von meinen zerstörerischen Eltern, weg von zu Hause. Die Idee mit ASF und dem Zivildienst im Ausland war da eine ganz fixe Idee, von der ich eigentlich gedacht hätte, dass sie nach einmal schlafen keine Rolle mehr spielen würde. Wie man sieht, ist mehr aus der Idee geworden, denn nun stand ich auf der Türschwelle des ICE´s und sah in das traurige Gesicht meiner Mutter, in das stolze meines Vaters und mit ihnen mein altes Leben. Im Hintergrund das blaue Schild, auf dem Berlin Ostbahnhof stand. Die Türen begannen zu piepen und ich fühlte mich wie in einem schlechten Film, in dem die Abschiedszenen immer viel zu dramatisch gemacht werden. Aber nun begannen sich die Türen zu schließen, die Türen zu meinem alten Leben, zumindest für eine sehr lange Zeit und dazwischen stand ich, mit Tränen, die sich begannen im Auge zu sammeln. Sehen würden sie meine Eltern nicht, dazu sind die Scheiben der Tür nicht sauber genug beziehungsweise getönt. Ich schaute noch ein letztes Mal in die Gesichter meiner Eltern, zum Namensschild des Bahnhof und setze mich dann hin, da der Zug sich ohnehin bereits in Bewegung gesetzt hatte.
Ich hatte mir einen Fensterplatz ergattert, sehr gut. Ein letztes mal fuhren wir durch mein Berlin, vorbei am unglaublich hässlichen Alexa, durch den Bahnhof Alexanderplatz, wo ich ein letztes Mal zum Fernsehturm hochschaute und eine Tram in Richtung Hackescher Markt beobachtete, durch den Bahnhof Friedrichstraße, wo ich mich an den leckeren LeCrobag im ersten Untergeschoss erinnerte und dann am Bundespressestrand mit Blick auf die Abgeordnetenhäuser und dem Reichstag vorbei zum Berliner Hauptbahnhof, der wie ein einsamer Herrscher dastand, als größtes Bauwerk weit und breit in einer noch kargen Landschaft. Irgendwie respekteinflößend. Zumindest für mich, aber ich sehe Berlin eh anders als die meisten Leute. Die anderen wohnen nur hier, mehr nicht. Ich lebe hier, in ihr, mit ihr. Die meisten denken, wenn ich so rede, dass ich ne Schraube locker habe, so über eine Stadt zu reden. Es ist eine Stadt, nichts besonderes denken sie bestimmt. Für mich ist es mehr. Es ist zu Hause, Zufluchtsort, wenn zu Hause die Luft brennt, sie hört dir immer zu, wenn du Probleme hast und meckert nie, aber gibt dir immer wieder die Energie, die du brauchst, um weiter zu machen. Sie ist Heimat. Ich bin jedes Mal stolz, wenn mich jemand fragt woher ich komme und ich dann antworten kann, dass ich aus Berlin komme. Ich würde auch nie auf die Idee kommen, Mannheim zu antworten. Meine Geburtstadt, meine Wurzel, aber nicht mein zu Hause, meine Heimat. As a free man I take pride in the words: Ich bin ein Berliner.
Wir passieren den S-Bahnhof Bellevue. Ich zeige den anderen das gleichnamige Schloss, in dem unserer Bundespräsident Horst Köhler wohnt. Die meisten wissen nicht mal, dass es existiert. Und dass es „Schöner Ausblick“ bedeutet. Ja, über so Dinge mache ich mir Gedanken, wenn ich durch meine Stadt laufe. Und wenn man will, kann man in Bellevue einen Wink des Schicksals für das kommende Jahr deuten, ein Jahr mit schönen Ausblicken, die wir aber erst noch entdecken müssen. Von der linken Fensterseite wechsele ich auf die andere und zeige den anderen das Haus, in dem ich und mein Vater wohnen.´, kurz vor dem S-Bahnhof Tiergarften. Man kann es von der Bahn sehr gut sehen, zumindest das Vorderhaus. In dem befindet sich die Botschaft von Honduras. Ein Botschafter und seine Sekretärin, mehr arbeiten da sicher nicht drin. Kein Wunder, bei so einem kleinen Land, das nur vom Kaffeeexport lebt. Uhuuu, Kaffeeexport mit drei e. Auf jeden Fall nicht zu vergleichen mit der US-Botschaft, die mehrere Tausend angestellte hat, ohne Witz. Und Tag und Nacht auf Schärfste bewacht wird. Vor bösen Arabern mit Bärten oder so. Von denen laufen in Berlin dummerweise viele rum. Alle mit massenweise Sprengstoff unterm Pulli. Armes Amerika, alle hassen euch. Meine Botschaft wird nicht bewacht, ich habe sogar einen Schlüssel. Wohne ja eigentlich im Hinterhaus, also nicht direkt im Botschaftshaus, aber da sie zusammengehören und unsere Namensschilder an beiden Türen hängen, sage ich immer, ich würde in der Botschaft von Honduras wohnen. Macht mich interessanter vielleicht.
Dann passieren wir den Bahnhof Zoologischer Garten, von den Berlinern nur Zoo genannt. Der ist logischer Weise auch gleich um die Ecke und der artenreichste der Welt. Der gleichnamige Bahnhof ist durch die Drogenszene und Christiane F. vor einigen Jahrzehnten weltberühmt geworden. Das Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ kennt zumindest vom Namen sicher jeder, der das hier liest. Seit Mai 2006 halten hier keine Fernzüge mehr, außer Nachtzüge und Züge nach Osteuropa, Moskau, Kaliningrad (ehem. Königsberg) und so weiter. Es gab starke Proteste gegen den Beschluss der Bahn, den Bahnhof Zoo vom Fernnetz zu nehmen. Aber da am 28. Mai 2006, kurz vor der WM, der Hauptbahnhof eröffnet wurde, der der größte und modernste Kreuzungsbahnhof Europas ist, sah man bei der Bahn keine Notwendigkeit mehr, den nur 5 Minuten entfernten Zoo als Halt für Fernzüge beizubehalten. Auch der Fahrtzeiten wegen, was nur eines von vielen unsinnigen Argumenten der Bahn war.
Berliner trennen sich ungern von alten Gewohnheiten und man sieht ungern ein, warum man etwas ändern sollte, was Jahrzehnte gut funktionierte. Berliner sind pragmatisch. Zudem der Bahnhof Zoo erst wenige Jahre zuvor teuer renoviert und modernisiert wurde. Und ob ein ICE von Frankfurt/Main nach Berlin 4:50 Stunden fährt oder nur 4:45, weil er nicht im Zoo hält, ist wurscht, wie der Berliner zu pflegen sagt, mit seiner bekannten Berliner Schnauze. Ähnlich war es beim Flughafen Tempelhof. Zumindest in Westberlin war der Widerstand groß. Die Ossis haben sich dafür kaum interessiert, ihnen hatte der Flughafen während der Blockade 1948 schließlich nicht das Leben gerettet. Und insgeheim munkelt man, dass sich die Ossis bei dem Volksentscheid gegen THF entschieden, weil es ja auch die Wessis waren, die den Palast der Republik haben abreißen lassen. Die berühmte Retour-Kutsche. Ist übrigens ein Berliner Wort. Als Napoleon 1806 in Berlin einmarschierte, nahm er die Quadriga, eine Kutsche gezogen von 4 Pferden vom Brandenburger Tor mit nach Paris, da er ein großer Kunstsammler war. 1815 wurde Napoleon von den Preußen geschlagen, welche die Kutsche zurück, also retour nach Berlin brachten. Daraus haben die Berliner das Wort Retour-Kutsche gemacht, was noch heute beschreibt, dass man jemanden etwas heimzahlt.
Wir hielten noch im Bahnhof Berlin-Spandau und auch hier hatte ich viel zu erzählen. Nicht nur, dass ich dort groß geworden bin, in den Kindergarten, zur Grundschule und aufs Gymnasium ging und letztendlich 15 Jahre ausschließlich dort gewohnt habe, seit meine Eltern im Februar 1991 mit mir aus Mannheim zuzogen und bis mein Vater im Februar 2006 nach Tiergarten zog. Auch erzählte ich, dass zum Beispiel die Ärzte um Farin Urlaub aus Spandau stammen, dass Spandau Europas erfolgreichsten Wasserballverein beheimatet und dass Spandau eigentlich älter ist als Berlin und sich daher unter der Hand gar nicht wirklich zu Berlin zugehörig fühlt. Und das stimmt wirklich, Spandau ist anders als der Rest Berlins und daher sagt man dort auch gerne „Berlin bei Spandau“. Spandauer verlassen ihren Bezirk verhältnismäßig selten, vieles des sozialen Lebens spielt sich ausschließlich dort ab und der Rest Berlins hat auch so recht wenig in und mit Spandau zu tun. Dabei ist es sehr schön dort, Berlins vielleicht grünster Bezirk, der zwar flächenmäßig der zweitgrößte ist, aber mit knapp 230.000 Einwohnern relativ dünn besiedelt ist. Ganz im Westen Berlins gelegen findet man dort viele Wälder wie den Spandauer Forst und viele ländliche Gegenden mit Bauernhöfen, wie Gatow und Kladow im Süden Spandaus. In Kladow wohnt auch meine Mutter. Wunderschöne Gegend, direkt an der Havel und dem Wannsee gelegen, nur halt am Arsch der Welt. Schön zum Spazierengehen und entspannen, aber wer als 20 Jähriger zwischen Tiergarten und Kladow wählen muss, der muss nicht lange überleben. Das Leben findet in der Innenstadt ab, hier geht die Post ab und hier pulsiert die Großstadt. Ich mochte es aber trotzdem immer, am Wochenende nach Kladow zurückzukommen, um eben mal auszuspannen, mal dem Stadt-Stress entfliehen.
Kurz hinter dem Bahnhof Spandau verlässt die Bahn die westliche Stadtgrenze und fährt ins Brandenburgische. Ab hier beschleunigt der Zug auf seine 250 km/h und ich sortierte erst mal die ganzen Sachen, durch den Kuchen, der in einer separaten Tüte war, hatte ich nun 4 Gepäckstücke und die mussten erst mal so platziert werden, dass ich an alles nötige schnell rankam, ohne aufzustehen, also Laptop und die Tüte mit dem Kuchen und den anderen Sachen zu Essen. Ich aß also erst mal etwas, bis Braunschweig, dann probierte ich etwas zu schlafen. Unausgeschlafen Reisen und am Vorabend Alkohol getrunken ist ne scheiß Kombination bei mir, das merkte ich an meinem Magen, der sich regelmäßig um sich selbst zu drehen schien. Nach dem Essen ging es mir aber wieder normal, nur das erschöpfte blieb. Ich holte den Laptop raus und hörte Musik und döste leicht weg. Die anderen auch, es wurde leise im Abteil.
Nach etwas mehr als viereinhalb Stunden erreichten wir Frankfurt am Main Hauptbahnhof, wo wir in den ICE nach Paris Gare de l’Est umsteigen mussten. Dazu hatten wir eine knappe Viertelstunde, nur dass wir diesmal das Gleis wechseln mussten. Voll gepackt machten wir uns auf den Weg und am Bahnsteigende bemerkten wir, dass unser Gleis geändert wurde. Von Gleis 17 auf Gleis 1. Dort angekommen war für mich die Freude groß, als dort kein ICE stand, sondern der französische TGV. Der ICE schien auszufallen und der TGV als Ersatz musste einspringen. Ich fands toll, wollte schon immer mal in einem TGV fahren. Und wie schon auf meiner fahrt nach Vichy wenige Monate zuvor überzeugte Frankreich mal wieder durch Komfort und Platz, den man in einem ICE vergebens sucht. Es fanden deutlich mehr Steckdosen einen dafür vorgesehen Platz und wir setzten uns. Von innen war der TGV dem ICE in Sachen Komfort einiges voraus. Die Sitze sind bequemer und man hat mehr Platz. Die Kuchentasche musste nicht wie im ICE zwischen meinen Beinen platziert werden, sondern fand in einer Ablage neben mir Platz. Ich saß diesmal nämlich am Gang. Der Klapptisch scheint auch größer zu sein. Doch dann merkte ich schnell, dass ich das Verteufeln der deutschen Komfort-Schlampigkeit schnell zurücknehmen sollte, als ich meinen Laptop wie im ICE an eine Steckdose anschließen wollte. Es gibt keine. Selbst die ältesten ICE´s, die inzwischen fast 20 Jahre auf dem Buckel haben und damit nur wenig jünger sind als die TGV, verfügen seit der letzten Modernisierung aller Züge an jedem Zweiersitz eine Steckdose. Die französische Eisenbahngesellschaft SNCF hat die Innenräume optisch zwar dem 21. Jahrhundert angepasst, aber technisch hat man einiges verschlafen. Da sind wir Deutschen eben unschlagbar. Sehr beruhigend.
Im Schneckentempo ging es dann auch pünktlich los, jeder hatte seinen Platz und war zufrieden. Paris, wir kommen. Nächster Halt war nach einer halben Stunde Mannheim Hauptbahnhof. Ich rief bei meiner Tante Gisela an, als wir gerade durch den Bahnhof Waldhof fuhren, dessen Fussballverein Waldhof Mannheim es sogar mal in die erste Liga schaffte, aber das ist lange her. Es nahm niemand ab, also probierte ich es bei einer anderen Tante, hab ja 6 davon in Mannheim. Bei Karola nahm mein Cousin Adrian ab, wir redeten kurz, dann kam seine kleine Schwester, meine Cousine Christin ans Telefon und noch später ihr Vater Matthias. Nur Tantchen war nicht da. Aber wenigstens habe ich mal hallo gesagt, keine 20 Minuten entfernt im TGV sitzend. Lustige Sache.
Über Kaiserslautern und Saarbrücken ging es Richtung französische Grenze, hinter der es endlich mal etwas schneller voran ging. Dass man nun in Frankreich ist merkt man nur, wenn das Netz vom Handy wechselt, ansonsten merkt davon nichts mehr, Kontrollen sind ja abgeschafft worden. Mit Tempo 350 jagte der Zug nun Paris entgegen übers typisch französische Hochgeschwindigkeitsnetz. Es besitzt deutlich weniger Halte als das deutsche, wodurch es schneller ist. Wenige Kurven machen es aber erst möglich, dass die Züge über 300 km/h fahren können. Das ist in Deutschland nur auf der Strecke Frankfurt-Köln möglich, die auch erst vor wenigen Jahren eröffnet wurde. Abhilfe hat man sich in Deutschland mit Neigezügen geschaffen, die ICT´s. T steht für Technik. Diese ICE´s haben zwar nur eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h, sind durch ihre Neigetechnik in Kurven aber deutlich schneller, wodurch sie die verlorene Zeit wieder aufholen und auf einigen Strecken sogar schneller sind als die normalen und schnelleren ICE´s. Dadurch spart die DB viel Geld, denn Geschwindigkeiten jenseits der 300 km/h kosten die SNCF sicher verdammt viel, da der Stromverbrauch expotenzial ansteigt, je schneller der Zug fährt.
Den Rest der Reise haben wir fast alle geschlafen. Es wurde dunkel und der Zug fuhr ohne einen Halt durch, bis Paris. Nach etwas mehr als 4 Stunden waren wir da, es war kurz vor 21 Uhr. Dort warteten auch schon Nicola, Heidi und Idan auf uns. Nicola ist die ASF-Länderbeauftrage im Pariser Büro, also zuständig für alle Frankreich-Freiwilligen. Heidi ist ihr französisches Gegenstück, sie arbeitet im Hauptquartier von ASF in Berlin, spricht perfekt deutsch und war wie wir nur zu Besuch in Paris. Sie würde Paris wie wir am Montag den 15. September wieder verlassen und nach Berlin zurückfahren. Idan ist Heidis Helfer in Berlin, soweit ich das richtig verstanden habe. Er wohnt erst seit Kurzem in Berlin und spricht daher bisher kaum deutsch. Alle drei begrüßten uns typisch französisch mit Küsschen links rechts. Dabei machte Idan natürlich auch keine Ausnahme bei uns Jungs, auch typisch französisch. Nicht so zugeknöpft wie in Deutschland, wo Männer so was nicht machen, mit Ausnahme der Araber. Ich habe damit auch kein Problem, da es ja etwas normales hier ist.
Nach der Begrüßungszeremonie auf dem Bahnsteig ging es los zur Metro. Wir bekamen alle Tickets und los gings. Treppen runter und wieder rauf, durch ewig lange Gänge zum richtigen Bahnsteig der Metro. Rolltreppen oder Fahrstühle sucht man hier vergebens, ganze 3 Bahnhöfe im gesamten Metrosystem sind behindertengerecht ausgestattet, was ich für einen echten Skandal für eine Weltstadt für Paris halte. Schon nach wenigen Treppen waren wir fix und fertig, denn beim Tragen half uns keiner. Jeder hatte ja mit seinen eigenen Sachen zu kämpfen. Zum Glück konnte ich meinen Koffer durch die langen Gänge ziehen, da er eine coole, ein- und ausfahrbare Zugstange besaß. Irgendwann hatte ich keinen Bock mehr, den Koffer jedes Mal die Treppen hoch und runter zu schleppen, also zog ich ihn auch dort runter. Stellte sich als dumme Idee raus, denn am Bahnsteig der Metro merkte ich, dass die Zugstange die heftigen Stöße des schweren Koffers nicht überstanden hatte. Sie war dermaßen verbogen, dass sie sofort bei der nächsten Berührung abbrach. Schöner Mist. Den Koffer an der kleinen Lasche zu ziehen ist bei dem Gewicht noch viel schwerer, als ihn Treppen hoch zutragen, da er sehr schnell ausbricht und dann erst wieder in die Richtung gehievt werden muss.
Laut fluchend stieg ich in die Metro ein. Ich war stocksauer. In Berlin gibt es fast keinen Bahnhof mehr, der nicht über Aufzüge oder Rolltreppen verfügt. Vielleicht bin ich zu verwöhnt. Wie ja schon festgestellt, sind die Franzosen bei einigen Dingen nicht auf dem neuesten technischen Stand. Meine Laune wurde beim Umsteigen nicht viel besser, im Gegenteil. Ich schimpfte immer noch wie ein Rohrspatz. Ich war verschwitzt und mit den Nerven total am Ende. Ich war froh, als wir dann endlich am Foyer Lepont waren, wo sich das ASF-Büro befindet. Wir stellten unsere Sachen erst einmal unten ab und sammelten uns oben zu einem Willkommens-Empfang. Serviert wurde natürlich Wein.
Und dann zückte Nicola eine Speisekarte einer Pizzeria. Schon besser, Hunger hatten wir nach dieser Tortour auf jeden Fall. Jeder suchte sich eine Pizza aus und dann wurde bestellt. Bis sie geliefert wurden, bekamen wir Zimmerschlüssel und brachten unsere Sachen dorthin. Ich nutzte die Gelegenheit zum Duschen. Das Bad war genial. Einen Quadratmeter groß war ich doch froh, nicht der Größte zu sein. Klo und Dusche waren eine Einheit, nur ein Vorhang verhinderte, dass die Klobrille nass wurde. Ansonsten ein sehr modernes Haus, gute Betten und alles schön sauber. Dann ging es zum Essen. Die Pizza war nicht so gut wie bei La Vitoria, aber wenn ich Hunger habe, schmeckt mir beinahe alles. Wir stießen an und alle waren zufrieden, ich auch. Kurzes Breafing zum morgigen Tag und dann ging es ins Bett. Wurde auch Zeit, ich war fix und fertig. Ich schlief sofort ein.
1 Kommentar:
Lieber Simon,
du bist ein wunderbarer Geschichtenerzähler und Berichterstatter, aber das weißt du ja.
In deinen Schilderungen sehe ich den einfühlsamen und aufmerksamen Reporter, Fotoreporter, Reise-und Städteführer, Streckennetzexperten...
Jetzt, in deinem Projekt hast du viel Zeit, manchmal vielleicht mehr Zeit als dir lieb ist. Du bist ein Gesellschaftsmensch und gerne unter Freunden.
Wie du aber weißt, hat immer alles zwei Seiten. Lange_weile kann auch sehr viel kreatives und nützliches hervorbringen, wie man ja jetzt bei dir sieht.
Ich wünsche dir viel Kraft und Geduld, das in diesem Jahr herauszubringen was so alles in dir schlummert. Vor allem wünsche ich dir aber, dass du herausbekommst, in welche Richtung es für dich nun gehen soll und welche persönlichen Bedingungen du dir auf diesem Weg wünschst.
Zum Thema Eltern "Idioten" und "zerstörerisch", habe ich dir ja schon was mitgeteilt und kann nur noch mal betonen: Alles hat zwei Seiten, oder auch mehrere!
Deine Mutter
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